Wilde Ecke | Neschville

★ Nashville Impressions ★

Nashville Skyline

On Broadway

Thank God, daß wir einen Wagen haben. Auf dem Highway, Richtung City, ein paar Wolkenkratzer.
Ob Dylan die mit Nashville Skyline gemeint hat?

Sehen reichlich neu aus und ein bißchen verlassen,
wie sie so dastehen inmitten trauriger Baracken, Pawn-Shops (Pfandleihhäuser) und verlassen dreinschauender Kleingewerbehallen. City?
Well, auf zum Broadway!

Wir, die Garlick Girls, rollen die 12. Straße entlang, auf der Suche nach der 11. Verschwunden, plötzlich ist sie verschwunden, vanished in the haze.
Nord ? Süd? Geographie war schon immer meine schwache Seite.

The Nashville street system is fickle. antwortet der Stadtplan. Hätten wir doch besser die Karre mit dem Bordcomputer aka Navi genommen. Too late, anyhow.

Nashville-Broadway

Wall of Fame

Irgendwie wurschteln wir uns durch und ehe wir uns versehen, sitzen wir im Tootsie's, jener legendären Kneipe, in der Roger King-of-the-Road Miller Dang me geschrieben haben soll. Und Willy Kinky-Friedman-Kumpel & Tom-Astor-Duettpartner Nelson hatte hier seine ersten Gigs.

Hunderte vergilbte Photos bekannter und weniger bekannter Country Artisten schmücken die alt-ehrwürdigen Wände. Das Bier ist Okay. Jack Daniels, Tennessee, wo die Uhren noch langsam gehen.

Von der kleinen Bühne dringen die ersten Countrytöne an mein Ohr. Are you a picker or a strummer?

Picker, was sonst. Nee, keine Baumwolle, Chicken Pickin', das gleichmäßig rollende Rasen der Finger über die Saiten einer Martin vorzugsweise, einer legendären, bei Akkustikgitarrenfreaks außerordentlich beliebten Western-Gitarrenmarke. Voll amtliches Teil.

Tootsie's-Nashville

Nicht schlecht, der Junge, solange er nicht versucht zu singen. Als ich von den »Ruheräumen« (aka restrooms) zurückkomme, vernehmen meine Ohren eine wohlbekannte Melodei. Eine Lady trällert Jambalaya.

Meine Gedanken schweifen träumerisch ab gen Heimat. Wie war das noch gleich? Op dem Maat, op dem Maat stonn de Buure, dicke Prumme, dicke Eier, dicke Murre. (Ja, ich geb's zu, ich komme aus dem Rheinland, aus jener Stadt, die aufgrund ihres edlen Parfums, der wilden Vergnügungswut ihrer BürgerInnen und einer immer tollkühner agierenden Obrigkeit weltweit Berühmtheit erlangt hat.)

Tootsie's Nashville

Und wie war noch gleich die andere Übersetzung, die jene Dame in der kleinen Klößchen Kneipe zum Besten gab, wobei wir sie für 'nen Buffi (prä Euro-Time) gerne begleitet haben? In Peru, in Peru in den Anden, steht ne Kuh, steht ne Kuh und kann nicht landen. ou ton' believe me?

Hank Williams sicher auch nicht und wenn er sich, wie eine wachsende Zahl von Menschen behauptet, wirklich Inkognito in Paris herumtreiben sollte, dann, na dann, Hank, take the Tallys to Cologne und spiel den Karnevalsjecken mal ordentlich was vor. Wer weiß, was die noch alles auf diese kleine Melodie dichten. Na ja, hast du ja auch schon recht erfolgreich getan. Schließlich basiert dein Jambalaya auf einem alten Cajon Song namens Le Grand Texas, so what. Womöglich iss dir dat alles egal und du bleibst in der nächsten Kneipe an ein paar Kölschrockern un nem Kloore hängen. Und außerdem: You'll never get out of this world alive.

Open Mic

Ach ja, in Nashville-Tennessee, Tootsie's beim dritten Jack Daniels Bier, dort wo die Uhren noch langsam laufen.

Die Dame hat ihren Vortrag mittlerweile beendet. Ich denk mir, was die kann, können wir auch und melde unser wunderbares all female Country Duo Garlick Girls zum »Open Mic« an. (ne Art Talentprobe) Keine Zulassungsbeschränkung - off we Gau.

Also, das Wunderbarste an der Countrymusic ist ja das Jodeln.
Unglaubliche Überschlagakrobaten gibt's da, da iss der Franzl Lang ja gar nix dagegen gegen den Jimmy Rodgers, Herrgottsakrament, die Burschen und Maderln habn's echt drauf.
Um den Amis mal zu zeigen wo sie denn herkommt, diese wunderbare Musi, jodeln wir als Zugabe ein echt bairisches Weihnachtslied. Ist zwar Herbst, aber wer achtet hier schon auf die Lyrics. Es gefällt ihnen, ein paar junge Burschen geben uns noch mehr Bier aus und dann bye, bye Tootsie's.

Tootsie's Nashville

A new day, a new song, looking for food.

Nee, es gibt nicht nur Junk Food in America. Wir finden ein kleines wunderbares vegetarisches Restaurant. Und um zu prüfen, ob tatsächlich was dran ist an einem überall kursierenden Gerücht, frage ich die Waitress, ob sie denn wohl auch Musik macht, hier in Music City, U.S.A. Yeah, she's a singer and a songwriter und jobt hier. What else?

Bluebird Cafe

Begnadete und weniger begnadete Talente stehen hier auf der Bühne. A Cappella, mit Gitarre oder mit kompletter Backing Band. Ohne Probe, versteht sich.

Das funktioniert folgendermaßen:
Man melde sich ein paar Tage vorher an, überreiche dem Bandleader ein Tape mit nem Song + 10 Dollar und er schreibt für seine Band ein Arrangement im »Nashville Number System« einer Art Musik Steno, mit dessen Hilfe jeder darin bewanderte Musiker jeden Song in jeder gewünschten Tonart direkt vom Blatt spielen kann. Schon erstaunlich, wie perfekt das klingt.

Da wird einem allerdings auch klar, warum so viele in den Nashvilles Studios produzierte Songs so gleich klingen. Perfekt, aber irgendwie langweilig, glatt. Man ahnt immer schon das nächste Gitarrenlick, das nächste Fill (eine Art instrumentale Verzierung),das nächste Schlusslick.

Dieser »Nashville Sound«, in hoher Perfektion von immer denselben Musikern in immer denselben Studios - mit jeweils wechselnden SängerInnen - eingespielt, konnte einem die Country Musik - vor allem in den 60er und 70er Jahren - ganz schön verleiden. Aber zum Glück gibt's ja Bands wie die BR5 49.

Bluegrass In Nashville

Die spielen heut Nacht am Broadway im 'Robert's', einer Spelunke, in der's neben Drinks billige mexikanische Westernboots en masse zu kaufen gibt. BR5 49, eine Hillbilly Band,mit Fiddle, Steel, Standbass - da bleibt Dir die Spucke weg!

Inzwischen hat die Plattenindustrie auch spitz bekommen, was für ein Juwel da für Tips (Trinkgeld) Nacht für Nacht den Zuhörern die Hölle heiss macht und die Jungs haben ihre erste CD herausgebracht.

In Ernest Tubbs Record Shop treff ich einen von ihnen, wir kommen ins Gespräch und es stellt sich heraus, dass sie ihr Material - all die alten Hillbilly Nummern - hauptsächlich von Reissues (Wiederveröffentlichungen) der Firma Bear Family kennen. Bear Family from Germany, near Bremen, ist ein Label, das unermüdlich Material wiederveröffentlicht, über das in den USA die Nase gerümpft wird.

Grand Ole Opry

Nächster Tag, Pflichtbesuch in der »Grand Ole Opry«, jenem legendären Dauerbrenner, inzwischen ausgelagert in einen riesigen Vergnügungspark. Ein bisschen wie eine Rentenanstalt - Gnadenbrot für ausgediente Pferde - wirkt das Ganze auf mich.

Ein Oldtime Act nach dem anderen entert für ein, zwei Songs die Bühne. Porter Wagoner spielt den Conferencier (der sieht noch klasse aus, rank und schlank in seinem rosa Westernanzug), a real Rhinestone Cowboy, der Mann übrigens für den Dolly Parton I Always Love You geschrieben hat.

Bill Monroe himself ist dabei, Grandpa Jones treibt seine Späßchen auf der Bühne und zwischendurch immer wieder, von einem Sprecher life vorgetragen: Werbung. Schließlich ist die »Grand Ole Opry« eine Radioshow, die älteste in den USA (seit 1925). Und Radio finanziert sich in den USA durch Commercials.

An dieser Stelle sei der wunderbare Film A Prairie Home 1 Companion
von Robert Altman empfohlen.

Ist schon alles recht beeindruckend, besonders wenn plötzlich zahlreiche, nett zurechtgemachte junge Damen nach vorne stürmen, um sich auf den Boden vor die Bühne zu hocken, in glühender Erwartung, denn jetzt, meine Damen und Herren, we proudly present Mr. Tye England - jüngstes Mitglied der Grand Ole Opry. Ein gut aussehender junger Mann, Hat Act (das sind die den Cowboystiefeln, Hüten, fetten Gürtelschnallen), hat grade einen Riesenhit mit I should have asked her faster ...what a great desaster!

Es ist immer noch die höchste Ehre in der Grand Ole Opry auftreten zu dürfen und jeder Amerikaner sollte einmal in seinem Leben dort gewesen sein, auch wenn er während der Show ein Nickerchen macht, wie mein Nachbar.

Nashville - Was vergessen?

So. Alles touristisch abgefrühstückt. Schnell einen Blick ins örtliche Veranstaltungsprogramm werfen, wieder einmal durch Nashvilles unergründliches Straßensystem irren und schließlich in einem kleinen Club beim Bierchen die heimlichen Größen des waschechten Bluegrass bewundern!